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Haemophilia
Als Ben zehn Monate alt war, traten allmählich seltsame blaue Flecken an seinem Körper auf. Er hatte sehr schlimme Schwellungen. Zum Glück interpretierte unser Kinderarzt die Blutungssymptome richtig und schickte uns ins SickKidsKrankenhaus in Toronto. Die Diagnose war ein großer Schlag für uns – ein echter Schock. Wir mussten erst einmal verstehen, was diese Krankheit für unseren Sohn bedeuten würde, und herausfinden, wie wir mit der Krankheit unser Leben gestalten könnten. Unsere Lebensplanung änderte sich enorm. Ich kann nicht behaupten, dass wir gleich damit umgehen konnten. Wir haben eine Trauerphase durchgemacht – Trauer um das Leben, wie wir es uns immer vorgestellt hatten. Angst hat auch eine große Rolle gespielt.
Schließlich haben wir aber begriffen, dass die Diagnose zwar nicht das Ende der Welt, aber schon einen grundlegenden Einschnitt in unserem Leben bedeutete. Durch die Unterstützung unseres Gesundheitssystems und durch die Zusammenarbeit mit den Krankenpflegern haben wir sehr viel gelernt. Wir haben zum Beispiel gelernt, dass es unseren Kindern wirklich gut geht, wenn wir ihnen die Medikamente richtig verabreichen. So haben wir mittlerweile einen sehr guten Weg gefunden, mit der Diagnose zu leben. Die ganze Familie ist in der Community für Blutgerinnungsstörungen sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene sehr aktiv – selbst die Großeltern sind involviert. Wir sprechen mit Familien, die gerade erst die Diagnose erhalten haben und geben ihnen die Werkzeuge in die Hand, mit der Diagnose besser umgehen zu können.
Unsere Jungs bekommen ihr Gerinnungsfaktorkonzentrat alle zwei Tage. Wir machen dies schon seit sieben Jahren als Selbstbehandlung zu Hause. Man bekommt so die nötige Routine. Damit das gut funktioniert, müssen wir früh aufstehen. Ich spritze meinen Kindern die Medikamente. Das ist Teil meiner Aufgabe als Vater und es hilft meinen Söhnen bei ihrer Aufgabe: Einfach Kind zu sein. Wir machen das Beste aus der Zeit, in der die Infusionen verabreicht werden. Wir reden miteinander. Wir sind mittlerweile ziemlich gut darin; nicht alle Familien nehmen sich die Zeit dafür.
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden
Ben war 20 Monate alt, als er sich heftig auf die Zunge gebissen hat. Der rekombinante Faktor, den wir ihm daraufhin gegeben haben, führte zur Bildung eines Inhibitors. Wir hatten erst zehn Monate mit der Krankheit gelebt und plötzlich wirkte die Behandlung nicht mehr. Das traf uns doppelt hart. Wir haben schnell gelernt, wie man eine Immuntoleranzinduktion (ITI) durchführt. Man stelle sich vor, einem Zweijährigen täglich 3.000 Einheiten Gerinnungsfaktor zu verabreichen. Bens aktuelle Dosis ist gerade einmal halb so hoch. Innerhalb eines Jahres hatte Ben keinen Inhibitor mehr. Aber dieses Jahr war alles andere als einfach. Kein Kind mag es, wenn es eine Stunde lang stillsitzen muss. Wir haben ihn meistens hingelegt und in ein Handtuch gewickelt, damit er sich nicht so viel bewegt. Auch heute noch haben wir mit Vertrauensproblemen zu kämpfen, weil unser Kind vieles von dem, was wir machen mussten, als traumatisch empfand. Er hat es einfach nicht verstanden und ich glaube, das hatte Folgen.
Das Team im Hämophilie-Behandlungszentrum machte sich Sorgen, dass sich bei Nathan ein Inhibitor bilden würde, wie schon bei seinem Bruder. Sie haben die Verwendung von wilate® empfohlen. Zuerst wurde es nach Bedarf immer dann verwendet, wenn er eine Blutung hatte. Im Alter von neun Monaten begann er dann mit einer wilate®-Prophylaxe. Diese Strategie war erfolgreich und Nathan entwickelte zum Glück keinen Inhibitor.
Es ist nicht einfach, wenn man anders ist, aber meine Söhne definieren sich nicht über ihre Hämophilie. Die Hämophilie ist einfach ein Teil dessen, was sie ausmacht; wie zum Beispiel ihre Körpergröße. Dieses Jahr sind unsere Jungs zum ersten Mal ins Hämophilie-Ferienlager gefahren. Es stärkt ihr Selbstvertrauen enorm, eine Woche lang wegzufahren und mit anderen Kindern zusammen zu sein, die auch Hämophilie haben. Das vermittelt ihnen ein Gefühl von Unabhängigkeit. Die Krankenpfleger sind da, um den Faktor zu verabreichen, wenn die Kinder das nicht selbst machen können. Ben lernt gerade, sich selbst die Infusion zu geben. Zuerst passiv, indem er seine Hand auf die des Krankenpflegers legte und sich führen ließ. Aber mit der Zeit wird er immer eigenständiger. Sie sollen selbst dafür verantwortlich sein, wie sie mit ihrer Krankheit leben. Die Selbstbehandlung zu erlernen bedeutet, dass sie selbst entscheiden können, ob und wann sie sich eine Infusion geben. Sie sind dann auch für die Konsequenzen verantwortlich. Wir möchten, dass das ganz in ihren Händen liegt.
Immer wenn mein Handy klingelt, schaue ich sofort hin; selbst wenn ich in einer Besprechung bin, es könnte ja die Schule sein. Mein erster Gedanke ist immer: „Oh mein Gott, was ist passiert?“
Hämophilie hat dafür gesorgt, dass sie einfühlsamere und fürsorglichere Kinder sind. Zweimal im Jahr gehen wir ins SickKids-Krankenhaus und verbringen viel Zeit in derselben Klinik wie Kinder, die mit Krebs zu kämpfen haben. Wenn man mit Kindern und jungen Menschen zu tun hat, die lebensverändernde Herausforderungen bewältigen müssen, dann lässt einen das nicht unberührt. Wenn man sie mit diesen Kindern vergleicht, haben es unsere Jungs leicht: Sie müssen nur alle zwei Tage Infusionen über sich ergehen lassen. Es ermöglicht ihnen, andere mehr zu unterstützen und Mitgefühl zu entwickeln. Ihre Gelassenheit, wenn ich ihnen ihre Injektionen gebe, erstaunt mich immer wieder, ebenso ihre Sicht auf das Leben.
Schließlich haben wir aber begriffen, dass die Diagnose zwar nicht das Ende der Welt, aber schon einen grundlegenden Einschnitt in unserem Leben bedeutete.
Wir können uns mit unserem Gesundheitssystem in Kanada wirklich glücklich schätzen. Wir haben es gut. Aber es könnte immer noch besser sein und unser Ziel sollte es sein, es weiter zu verbessern. Bei der Behandlung wurden schon große Fortschritte gemacht und Pharmaunternehmen forschen weiter nach Möglichkeiten, um das Leben mit diesen Krankheiten zu erleichtern. Als Vorreiter in der Community müssen wir auf jeden Fall unser großartiges Gesundheitssystem bewahren und dürfen es nicht als selbstverständlich betrachten. Wir müssen auch weltweit die Wahrnehmung verbessern, um sicherzustellen, dass Kinder in anderen Ländern ebenfalls Zugang zu der Behandlung dieser sehr gut behandelbaren Krankheit haben. Es sollte ein Menschenrecht sein, wegen der Hämophilie nicht in ständiger Angst vor möglichen Verletzungen leben zu müssen.
Ich bin nicht religiös, aber mein Mantra ist das Gelassenheitsgebet: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Haemophilia